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Annette Reif bei Karl Storz: Neue EU-Verordnung für Medizinprodukte macht zu schaffen

Wie sehr die neue EU-Verordnung "Medical Device Regulation" (MDR) der Medizintechnik zu schaffen macht, das erfuhr Annette Reif, Bundestagskandidatin der Grünen, jetzt von Dr. Martin Leonhard, dem Bereichsleiter Technologie Management der Karl Storz SE & Co KG und Karim Djamshidi, Bereichsleiter Global Regulatory Affairs & Clinical Affairs bei Karl Storz in Tuttlingen.

Annette Reif, Bundestagskandidatin der Grünen, erfuhr von Dr. Martin Leonhard von der Karl Storz KG, welche Schwierigkeiten die Branche durch die neuen EU-Regelungen hat. Foto: pm

Die neue EU-Verordnung verlangt eine strengere Zertifizierung, aufwändigere Dokumentation und viel mehr klinische Studien auch für bewährte Bestandsprodukte - ein Aufwand, der am Ende viele Ressourcen schluckt. Leonhard und Djamshidi rechneten vor: Der Mehraufwand sorgt nicht nur für viel zusätzliche Arbeit, sondern auch für Kosten, die entsprechend getragen werden müssen. Mehrere dutzend zusätzliche Personalstellen sind beim Tuttlinger Medizintechnikspezialisten aktuell in den Bereichen Regulatory Affairs und weiteren unterstützenden Fachbereichen offen, sie zu besetzen fällt allerdings schwer, denn Fachleute sind rar. Und es fehlt an den sogenannten "Benannten Stellen", die für die Umsetzung der neuen Vorschriften erforderlich sind: Gab es in der EU bisher 59 davon, sind es jetzt noch 22.

 

„Eine bessere Einbeziehung der Betroffenen im Vorfeld, einen Stresstest für die MDR, das wäre sinnvoll gewesen“, so Dr. Martin Leonhard. „Das hätte sorgfältiger geprüft werden müssen." Deutlich mehr Zusammenarbeit mit der Politik wünscht sich die Branche, sie solle bitte nicht nur auf die Automobilzulieferer und den Maschinenbau in der Region schauen, so die Forderung von Leonhard und Djamshidi. Vor allem den kleineren und mittleren Unternehmen machten die neuen Regelungen schwer zu schaffen, hier braucht es Hilfe, damit kein Betrieb deswegen vor dem Aus steht. Dennoch ließen sich die Änderungen durchaus auch als Chance begreifen, betonte Karim Djamshidi, als Innovationsschub für die Branche in der Region, die ohnehin die Nase weit vorne hat. Branchenweit werden durch die MDR zunächst viele Produkte, die schon langjährig im Einsatz sind, vor dem Aus stehen.

 

Für Innovation in der Region sorgt auch der Nachwuchs: Carmen Butsch, nicht nur die rechte Hand von Martin Leonhard, sondern bei Karl Storz auch als Patenbeauftragte für den Wettbewerb Jugend forscht Donau-Hegau zuständig. Hier werden die jungen Tüftler gefördert. Dieses Jahr war der Regionalwettbewerb sogar der erfolgreichste beim Bundeswettbewerb von Jugend forscht. Diesen Nachwuchs braucht die Branche durch die neue Verordnung umso dringender, denn diese hat für einen ziemlichen Innovationsstau gesorgt. „Es dauert jetzt wesentlich länger, bis wir ein neues Produkt an den Markt bringen können“, so Djamshidi.

 

Kandidatin Annette Reif erfuhr auch, dass weitere Regelungen den Medizintechnikunternehmen das zukünftige Handeln erschweren werden: Manche wichtigen Stoffe, wie zum Beispiel Teflon, sollen in der Produktherstellung verboten werden. Der Nutzen eines solchen Verbots sei für den Umwelt- und Naturschutz noch nicht nachgewiesen, trotzdem ist die neue Regelung, die solche Stoffe verbietet, bereits in Planung. Dabei wird der wegbrechende Nutzen für den Anwender, also für Ärzte, Chirurgen oder für das medizinische Personal, und vor allem für die bestmögliche Behandlung der Patienten, nicht berücksichtigt.

 

Zudem braucht es mehr Digitalisierung auf allen Ebenen, finden Djamshidi und Leonhard: Nicht einmal Bedienungsanleitungen dürfen heute primär elektronisch bereitgestellt werden. Diese müssen in 24 Sprachen übersetzt und auf Papier eines jeden noch so einfach zu bedienendenden Produktes, wie beispielsweise einer Fasszange, gedruckt und beigelegt werden - dies kann im Umfang mehr als 500 Seiten umfassen. Bisher war bei sogenannten selbsterklärenden Produkten keine Anleitung erforderlich.

 

Annette Reif bedankte sich für die detaillierten Einblicke in dieses Thema, von dem viele Firmen und ihre Mitarbeiter in der Region betroffen sind und versprach, mit der Politik des Gehörtwerdens auch in Berlin weiterzumachen.

 

 

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