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Grüne Konzepte für die Lebenswelt von Morgen – Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke stellt sich der Diskussion vor Ort

Auf Einladung des Tuttlinger GRÜNEN Kreisverbandes stellte Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke aus Reutlingen, Sprecherin für Arbeitnehmer*innenrechte und Mitglied des Arbeits- und Sozialausschusses im Deutschen Bundestag, familien- und sozialpolitische Themen vor. Sie stellte die Herausforderungen dar Kinderarmut zu verhindern, die Arbeitswelt gerechter zu gestalten und zu erreichen, dass die Arbeitszeit besser ins Leben passt.

Frauen und Männer wollen in der Regel Familien gründen und Kinder bekommen, aber die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen passen oft nicht. Denn prekäre Jobs, Branchen mit Minijobs, Unsicherheit oder Dreifachbelastungen von Frauen verhindern dies. „Nach dem Gleichstellungsbericht 2017 leisten Frauen im Alter von 34 Jahren doppelt so viel unbezahlte Sorgearbeit wie Männer, da sie noch die Hausarbeit, Erziehungsaufgaben und Pflege übernehmen“, so Beate Müller-Gemmeke.

Trotz steigender Steuereinnahmen leben in Deutschland 2,5 Mio. Kinder in Armut. Vor allem Kinder von Alleinerziehenden sind betroffen, diese sind wiederum zu 90% Frauen. 37% der Familien mit mehreren Kindern hätten weniger als 1300 Euro zur Verfügung, so Müller-Gemmeke. Gegen Kinderarmut setzen die Grünen auf ein Familienbudget, nach dem jedes Kind gleich viel wert ist und jede Familie ohne bürokratische Hürden das sachliche Existenzminimum erhält. Dies liege gegenwärtig bei 393 Euro. Finanziert werden solle dies mit einem Umstieg auf Individualbesteuerung mit Freibeträgen weg vom Ehegattensplitting. 

Gegen prekäre Arbeitsverhältnisse sei der Mindestlohn wichtig, von dem mehr als 4 Mio. Jobs profitierten, vor allem Frauen. In der Leiharbeit erhielten 1 Mio. Arbeitnehmer*innen über 42% weniger Lohn im Verhältnis zu regulären Jobs. Besonders die Zunahme der Arbeitsverhältnisse auf Abruf, in der Arbeitnehmer*innen immer zur Verfügung stehen müssten, aber oftmals dafür keinen Lohn erhielten, träfen gegenwärtig 1,9 Mio. Arbeitnehmer. Von Befristung, mit Frist oder mit Sachgrund sei fast jeder zweite Job betroffen. Diese Arbeitsverhältnisse führten zum Aufschieben der Familiengründung.

Die Benachteiligung von Frauen zeige sich noch immer mit 21% Entgeltlücke, die sich im Lebenslauf auf ein 49% geringeres Gesamteinkommen summierten. In sozialen Diensten sind Frauen überproportional mit 80% vertreten, erhalten niedrigere Löhne als in der Industrie und litten besonders unter hohen psychischen Belastungen. Diese für die Gesellschaft so wichtigen Tätigkeiten müssten aufgewertet werden. Minijobs, die zu 61% von Frauen ausgeübt werden, brächten nach 45 Beitragsjahren eine Rente von 200 Euro, so die Referentin.

Gerade in privaten Krankenhäusern werde Sparpotential vor allem über den Abbau von Pflegekräften erreicht. Daher müssten Tarifverträge für den sozialen Dienst allgemeinverbindlich werden, um den Wettbewerb nach unten zu verhindern. Grüne Konzepte für bessere Vereinbarung von Familie und Beruf sind KinderZeitPlus und PflegZeitPlus. Bei der ersten sollen längere Erziehungszeiten gewährt werden, wenn die Partner sich paritätisch die Elternzeit teilen, mit PflegZeitPlus soll Betreuenden 3 Monate Freistellung und 10 Tage mit Lohnersatzleistungen wie bei der Kinderbetreuung gewährt werden. Zudem soll mit einer neuen Arbeitszeitdefinition Vollzeitarbeit  flexibler zwischen 30 und 40 Stunden definiert werden, denn Frauen wollen mehr, Männer weniger arbeiten. Dadurch soll ein Anreiz für bessere Verteilung von care-Arbeit gelingen. „Denn wir leben nicht um zu arbeiten, sondern wir arbeiten, um gut zu leben“, so Müller-Gemmeke.

In der Diskussion stellte Bundestagskandidat Hubert Nowack heraus, dass die prekären Arbeitsverhältnisse vor allem die Mittelständischen Unternehmen und Handwerksbetriebe gefährden, weil diese mit prekären Löhnen konkurrieren müssen. Kontrovers wurden die befristeten Arbeitsverträge diskutiert. „Großunternehmen oder große öffentliche Träger können Arbeitsverhältnisse endlos mit Sachgründen befristen. Die juristischen Hürden gegen Missbrauch sind so hoch, dass der Gesetzgeber dies ändern muss“, so Kreisvorsitzende Angelika Störk. „Leider sind die Hürden für Beschäftigte Familien bei der Vereinbarkeit von Schichtarbeit so groß, dass viele ausgebildete Frauen nicht in ihrem Job arbeiten. Dies ist eine Verschwendung von Fachkräften“, so Kreisvorstand Klaus Schmid-Droullier. 

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