Seit März im vergangenen Jahr bis heute wurde uns bislang nicht gekanntes aufgezeigt. Sicher geglaubte Errungenschaften wie die persönliche Freiheit, und ein ungezwungenes menschliches Miteinander, ohne die Menschen, mit den man zusammen ist, zu zählen und den Abstand zu ihnen messen zu müssen, sind keine Realität mehr. Andererseits haben wir, etwas globaler gesehen, noch viele Privilegien: Unsere Kreisklinik konnte stets Patient(innen) aufnehmen mit oder ohne Corona-Erkrankung. Alle der Klinik Anvertrauten konnten kompetent und zuverlässig behandelt werden.
Die Kreisverwaltung hat in einen anderen Modus geschaltet: Das Gesundheitsamt erfuhr eine nie dagewesene Bedeutung und hat sich mit Nachverfolgung von Kontaktpersonen, Testzentren und der Datenerfassung Erkrankter auseinandersetzen müssen. Von anderen Ämtern wurden Mitarbeiter(innen) abgezogen, um handlungsfähig zu sein. Landrat Bär und seine Mitarbeiter(innen) mussten neben vielen Appellen digital und in der Presse, Verordnungen und Verfügungen erlassen und sich mit den Vorgaben des Landes, aber auch Angriffen aus Teilen der Bevölkerung befassen. Nun wurde das Impfzentrum in der Kreissporthalle eingerichtet, mit der Hoffnung, dass diese Pandemie rasch ein Ende findet.
Bei allen Unzulänglichkeiten, die solch eine Krise mit sich bringt und uns die Verletzlichkeiten unserer Zeit vor Augen führt, muss man doch sagen, dass die Krise bislang relativ gut gemeistert wurde und auch die Kreisbürger(innen) überwiegend ihren Beitrag geleistet haben.
Haushaltsplan 2021
Von den Kreisfinanzen her ist der Kreishaushaltsplan 2021 nicht allzu sehr von der Pandemie tangiert, da Einnahmen- und Ausgaben-Effekte oft erst später eintreten und Land und Bund bislang relativ großzügig Kompensationen geleistet haben.
Dass wir trotz dem Bau des neuen Landratsamts für über 30 Mio. € und der Corona-Krise 2,5 Mio. € Verbindlichkeiten tilgen können und mit 26,5 Mio. Schulden eine historisch niedrige Verschuldung haben, ist bemerkenswert. Dass zudem noch die Kreisumlage gesenkt werden konnte und wir bei den Sozialausgaben nicht kürzen müssen, ist eine tolle Sache.
Dass die meisten Investitionen wie in das neue Landratsamt, in den Sprachheilkindergarten in Balgheim und die Johann-Peter-Hebel-Schule sowie die Brückensanierung in Geisingen und die Neugestaltung der Kreis-Deponie Talheim aufrecht erhalten werden können, ist ein Erfolg.
Soziales, Gesundheit, Bildung
Die OGL ist froh über einen Haushalt der sozialen und ökologischen Verantwortung. Vor allem, dass die freien sozialen Träger keine Einbußen Ihrer Zuschüsse hinnehmen müssen – was in langen Sparrunden ja durchaus im Gespräch war – erfreut unsere Fraktion.
Dennoch lassen zwei Entwicklungen im sozialen Bereich aufhorchen: So steigt die Zahl der Bezieher von Grundsicherung im Alter wiederum um 70 auf 1420 Personen in unserem „reichen Landkreis“ an. Sorgen macht uns auch, dass aufgrund der Corona-Krise bei den Hartz4-Bedarfsgemeinschaften mit einem Anstieg um 20% auf eine Anzahl von 2820 gerechnet wird. Die OGL fragt sich hierbei, ob Hartz4 die richtige Antwort auf die zunehmende Ungleichheit der Gesellschaft ist, was durch die Corona-Krise noch deutlich verschärft wird.
Wir würden uns freuen, wenn ab September in einer neuen Bundesregierung mit grüner Beteiligung auch neue Formen der Armutsbekämpfung wie das bedingungslose Grundeinkommen zum Zug kommen.
Unserem Bemühen und Antrag ist es zu verdanken, dass die Diakonie mit Hilfe des Landkreises und des Landes nun eine weitere Stelle für die Schwangerschaftskonfliktberatung schaffen konnte. Vor allem Frauen aus dem Raum Trossingen müssen nun nicht mehr in die Nachbarlandkreise fahren, da auch dort eine halbe Stelle angesiedelt wird. Die ev. Kirche hat sich dafür bei der OGL bedankt.
Ohne Zweifel ist die Umstrukturierung unseres Kreisklinikums weiterhin ein TOP-Thema, das wir mit breiter Bürgerbeteiligung für die Entwicklung unseres neuen Gesundheitszentrums in Spaichingen mit der erweiterten ambulanten Versorgung angehen müssen. Wir haben dafür zunächst Planungskosten für 600.000 € erfolgreich beantragt. Dass wir aus dem Haushalt 2018 noch weitere 3 Mio. € für diese Aufgabe zurückgelegt haben, lässt hoffen, dass wir für den nördlichen Landkreis eine gute Einrichtung mit Kurzzeitpflege, ambulanten Operationen, Ärztezentrum und weiteren Angeboten zur Gesundheitsvor- und Nachsorge aufbauen werden.
Bei allen Aktivitäten in Spaichingen dürfen wir aber dringliche Modernisierungen und auch den Neubau des Bettenhauses am Tuttlinger Standort nicht vergessen. Wie wichtig ein funktionierendes Krankenhaus in öffentlicher Hand und vor Ort ist, hat die Pandemie weltweit wieder gezeigt.
Unseren Kreisschulen geht es gut, sie müssen allerdings eine Budget-Kürzung um 20% hinnehmen, eine Kürzung, die sicher nur einmalig möglich ist. Der Bau der neuen Werkstätten in der Steinbeisschule wird noch warten müssen bis die Auswirkungen der Krise abschätzbar sind. Wir dürfen jedoch unser erfolgreiches duales Ausbildungssystem nicht im Stich lassen zumal im Handwerk dringend Personal benötigt wird.
Der OGL ist wichtig, dass die Investitionen für Erweiterungen und Sanierungen in unseren beiden Förderschulen zeitnah durchgeführt werden. Die Schwächeren der Gesellschaft sollen nicht zu Krisenverlierern werden!
Klimaschutz, ÖPNV
Gerade heute verabschieden wir eine unterstützende Erklärung zum Klimaschutz, um die Landkreisverwaltung bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden zu lassen. Unsere Grün-Schwarze Landesregierung unterstützt dieses Ziel mit Personal und Förderprogrammen, um dieser ernsten Bedrohung der Lebensgrundlagen durch den Klimawandel auf kommunaler Ebene zu begegnen. Allerdings benötigen wir dafür jetzt eine klare Agenda des Handelns und der zeitlichen Abfolge, damit die heute verabschiedete Erklärung kein Papiertiger wird und Lippenbekenntnis bleibt. Klimaschutz ist für die OGL-Fraktion kein „nice to have“, sondern existenzsichernd für unsere Kinder und Enkel. Wir müssen die Energieagentur verstärkt unterstützen, die Bürger bei Fragen des Energiesparens und des ökologischen Bauens berät und PV-Anlagen auf die kommunalen Dächer bauen. Der Fuhrpark des Landkreises muss modifiziert werden - weg vom Verbrennungsmotor.
Auch der ÖPNV hat aufgrund der drohenden Klimakatastrophe eine große Relevanz, schließlich entstammen 35% der klimaschädlichen Emissionen dem Verkehr. Wir wollen im Landkreis den ÖPNV neu gestalten.
Zusätzliche Haltestellen für ein regionales ÖPNV-Konzept, die es für Pendler(innen) attraktiv machen, umzusteigen, weil Bahn und Bus in ihrer Nähe Einsteigemöglichkeiten bieten und ein großflächiges Angebot von Jobtickets sind essenziell. Der Ringschluss zwischen Immendingen und Donaueschingen ist für die OGL nicht vom Tisch, sondern muss mit dem Schwarzwald-Baar-Kreis und dem Land ausgehandelt werden.
Ein Einfrieren der Ticket-Preise und keine Erhöhung – wie es andere Fraktionen und die Kreisverwaltung im Schilde führen - sind die Antwort zur Verkehrswende. Die Erhöhung wäre gerade jetzt in Corona-Zeiten, wo es die ÖPNV-Nutzer ohnehin schwer haben, Gift für die Attraktivität von Zug und Bus.
Ein Tarifverbund, möglichst um den Kreis Konstanz erweitert, mit vereinfachten, günstigen Tarifen ist erstrebenswert.
Auch die Parkkonzepte in unseren Städten und Gemeinden müssen überdacht werden, um den Umstieg auf den ÖPNV attraktiv zu machen, so auch für die künftig zusätzlich 300 Beschäftigten im neuen Landratsamt in der Nähe des Bahnhofs.
Nachhaltiges Wirtschaften zeigt sich auch im Umgang mit den Guthaben und Geldanlagen des Landkreises. Die OGL befürwortet hierbei Anlagen, die nicht klimaschädlich und menschenrechtsverletzend, sondern gemeinwohlorientiert wirken.
Gesamtbetrachtung
Wir gehen einig damit, die Absenkung des Hebesatzes der Kreisumlage um einen Punkt auf 31 Punkte zu vollziehen, um die Gemeinden zu entlasten und Finanzgerechtigkeit herzustellen. Sollte der Landkreis aber in den kommenden Haushaltsrunden die Solidarität der Gemeinden nötig haben, verlassen wir uns auf die gegenseitige Verantwortung. Große Herausforderungen warten auf uns: Die Folgen der Corona-Krise gilt es, möglichst unbeschadet, für unserer Bürger(innen) des Landkreises zu überwinden. Die Entwicklung des ÖPNV wird investiv und von den laufenden Kosten her eine Herausforderung, wenn es eine wirkliche Mobilitätswende geben soll. Die Umgestaltung des Spaichinger Gesundheitszentrums wird sich im Kreishaushalt wiederspiegeln und der soziale Frieden soll weiterhin durch die vielfältigen Angebote des Landkreises erhalten werden.
Dabei handelt es sich für die OGL um Herausforderungen, die wir im Haushaltsjahr 2021 und den folgenden Jahren angehen müssen, wenn wir die Generationengerechtigkeit sicherstellen wollen.
Am 14.3.2021 ist Landtagswahl. Wir hoffen auf eine Landesregierung, die - in welcher Koalition auch immer – nachhaltig regieren wird und die Landkreise im Blick hat und entsprechend unterstützt, möglichst durch mehr als nur einen Abgeordneten aus dem Wahlkreis.
Zusammen mit den anderen Fraktionen wollen wir als OGL eine solide zukunftsorientierte Kreispolitik fortsetzen und fürchten uns nicht vor neuen Entwicklungen.
Es ist der letzte Haushalt, den unserer Kämmerer, Herr Bernhard, aufgestellt und vorgestellt hat. Herrn Bernhard als Fels in der Brandung der Kreisfinanzen zu bezeichnen, wäre fast noch untertrieben. In ruhigen, aber deutlichen Worten konnte er uns stets mit einer Super-Didaktik den Haushalt mit seinen Kennzahlen und Besonderheiten vermitteln – immer die Solidität im Blick. Hervorragend hat er die Haushaltskommission in den vergangenen Monaten angeleitet. Die OGL dankt ihm für die geleistete, ungewöhnlich fundierte und solide Arbeit und wünscht seinem Nachfolger dasselbe Gelingen und eine glückliche Hand.
Allen Akteuren im Landratsamt, die diesen Haushaltsplan für uns verständlich erarbeitet haben, danken wir. Ebenso sagen wir allen Danke, die auch im Hinblick auf die Pandemie, sich über das normale Maß hinaus engagiert haben.
Dem vorgelegten Haushaltsplan stimmen wir zu.
Hans-Martin Schwarz